1975 bis 2010

1990

Fahrten in ein unbekanntes Land

Begegnungen von Sozialdemokraten in der Zeit der politischen Wende in der DDR

Es waren Fahrten in ein unbekanntes Land, die im Jahr 1990 von einigen Lippstädter Sozialdemokraten in die damals noch bestehende DDR unternommen wurden. Kaum jemand von den Teilnehmern dieser Touren zum Aufbau einer demokratischen Struktur in Oschatz und in der sächsischen Region war zuvor häufiger im zweiten deutschen Staat gewesen. Mit dem Landstrich zwischen Elbe und Oder verbanden bis zur politischen Wende und dem Mauerfall viele Sozis an der Lippe überwiegend Trostlosigkeit und vor allem eine unangenehme Begegnung mit den staatlichen Organen beim Grenzübertritt oder bei der Reise auf den Wegen von und nach Berlin.

Beginn einer neuen Epoche.Sozialdemokraten aus Oschatz und Lippstadt bringen den Wahlkampf für die erste und einzige freie Wahl der Volkskammer der DDR in Gang. Im Bild vom 28. Januar 1990 befinden von links nach rechts Bernhard Scholl, Marlies Stotz (Lippstadt) Rene Dorow (Oschatz), Karl-Heinz Brülle, Hans Zaremba (Lippstadt) und Friedhelm Zieger (Oschatz).

Beklommenheit

Etliche verspürten schon eine Beklommenheit, als sie sich am Samstag, 27. Januar 1990, mit dem Auto auf die Reise nach Oschatz begaben. Sie wurde von Anita und Karl-Heinz Brülle, Marga und Bernhard Scholl, Lydia Schulte (+), Marlies Stotz sowie Angelika und Hans Zaremba in die sächsische Kreisstadt unternommen. Trotz des Mauerfalls war die DDR noch Mitglied im Warschauer Pakt und kein Rechtsstaat nach westlicher Lesart. Es war beachtlich, was sich alles in der kurzen Zeit der Begegnungen der Sozialdemokraten aus Lippstadt und Oschatz sowohl in Westfalen als auch in Sachsen ereignete. An der Lippe waren dies vorwiegend Angebote zur Vermittlung von Grundwissen über die Politik in der Bundesrepublik, ihren föderalen Aufbau mit den Ländern und dem Bundesstaat sowie der kommunalen Selbstverwaltung in den Gemeinden und Städten. In Oschatz und in den benachbarten Orten brachten sich die Lippstädter vor allem in den Straßenwahlkampf ein. Ein Blick auf die Abläufe vom Ende der Mauer bis zur ersten freien Wahl der Volkskammer unterstreicht, wie knapp es für die Menschen in Ostdeutschland war, sich auf die neuen politischen Gegebenheiten einzustellen. Die Öffnung der Grenzen erfolgte am Donnerstag, dem 9. November 1989, am letzten Januar-Wochenende 1990 fand das erste Treffen der Sozialdemokraten aus Oschatz und Lippstadt statt. Bereits am Sonntag, dem 18. März 1990, hatten die Bürgerinnen und Bürger in Mitteldeutschland über die Wahl jenes Parlamentes zu entscheiden, das am Mittwoch, dem 20. September 1990, durch die Annahme des Einigungsvertrages den Beitritt der DDR zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschließen sollte. Am Mittwoch, den 3. Oktober 1990, war die DDR erloschen.