Ausgabe Nr. 6/2013: Die Süderhöhe im Blick

Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht: Der Mahnruf des SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Otto Wels am 23. März 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz gehört zu den denkwürdigsten Reden, die je in einem deutschen Parlament gehalten worden sind. Ein Foto aus dem Archiv des Vorwärts.

Zeichen des Widerstands

Die Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis vom 23. März 1933 charakterisierte Bernd Faulenbach in seiner geschichtlichen Betrachtung der Sozialdemokratie als ein Dokument der politisch-moralischen Selbstbehauptung der SPD. Die Abgeordneten der SPD-Fraktion waren die einzigen, die in der namentlichen Abstimmung mit „Nein“ votierten. Sie wussten, dass sie damit das Gesetz nicht mehr verhindern konnten, aber sie wollten ein Zeichen des Widerstands setzen.

Freiheit und Menschlichkeit

Das Gesetz wurde mit den Stimmen der NSDAP, der DNVP, des Zentrums, der BVP, der DVP, der Staatspartei und des Christlichen Sozialen Volksdienstes beschlossen. Der Bochumer fügte in Lippstadt hinzu: „Das Parlament schaltete sich damit selbst aus, was den 23. März 1933 zum ’schwärzesten Tag‘ der Geschichte des deutschen Parlamentarismus machte.“ Der Beitrag von Otto Wels habe den Protest des demokratischen Deutschland, das auf die Sozialdemokratie zusammengeschrumpft war, in eindrucksvoller Weise ausgedrückt. Der Sozialdemokrat habe der Gewaltpolitik Hitlers noch einmal die Ideen des demokratischen Sozialismus entgegengesetzt. Sein Vortrag sei für viele Jahre die letzte große Rede im Reichstag gewesen. „Eine Proklamation der Freiheit und der Menschlichkeit.“

Linie der Humanität

„Die deutsche Sozialdemokratie ist von der Linie der Humanität und der Demokratie in diesen Jahren wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts niemals abgewichen“, stellte der 69-jährige heraus. Die Geschichte der SPD bilde geradezu die Gegengeschichte zu jenem „deutschen Sonderweg“, der seinen Höhepunkt im sogenannten Dritten Reich, im Zweiten Weltkrieg und im Holocaust hatte, und damit in einer beispiellosen Katastrophe endete. Für die Ideen der sozialen Demokratie seien während der Nazi-Diktatur Menschen mit Leib und Leben eingestanden

sie fühlten sich der Freiheit verpflichtet. Das zeichne die Sozialdemokratie aus und daran sei zu erinnern. Für den Historiker Bernd Faulenbach ist das 150jährige Parteijubiläum ein Anlass, „sich auf die sozialdemokratische Identität zu besinnen“. Identitätsbewusstsein schaffe Selbstbewusstsein und gebe Orientierung.

Hans Zaremba