Herausforderungen an die Politik

Anmerkungen zum ersten Jahr mit Olaf Scholz als Bundeskanzler

Noch in den Sommermonaten des Jahres 2021 war während der Kampagne für die Bundestagswahl am Sonntag, 26. September 2021, die Installierung einer Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP 2021 für viele Beobachterinnen und Beobachter des politischen Geschehens kaum vorstellbar. Aber die Stimmabgabe für den 20. Deutschen Bundestag gebar diese für alle drei Partner nicht einfache Verbindung. Am Mittwoch, 8. Dezember 2021, wurde Olaf Scholz aus der SPD zum neunten Bundeskanzler in der deutschen Geschichte gewählt. Das Motto des Koalitionsvertrages lautet: „Mehr Fortschritt wagen“ – in Anlehnung an das im Herbst 1969 unter Vorsitz von Willy Brandt (1913-1972) gebildete sozial-liberale Kabinett.

Münster am Freitag, 24. September 2021:
Zwei Tage vor der letzten Bundestagswahl schauen der Lippstädter Karl-Heinz Tiemann (links) und Olaf Scholz zuversichtlich in die Kamera.
Archiv-Foto: Büro Olaf Scholz

Besonnenheit

Ein Jahr nach dem Antritt des vierten SPD-Mannes am Schaltpult der bundesdeutschen Politik ist der Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz der von Olaf Scholz geführten Regierung gekommen. „Geprägt worden ist dieses Jahr natürlich zuallererst von Russlands brutalem Krieg gegen die Ukraine“, hatte der frühere Hamburger Bürgermeister und jetzt in Potsdam beheimatete Kanzler in einer am Samstag, 3. Dezember 2022, per Video veröffentlichten Botschaft herausgestellt und hinzugefügt: „Jeden Tag sehen wir die Zerstörung. Jeden Tag verfolgen wir, wie viele Menschen Opfer russischer Bomben werden. Und deshalb war es richtig, dass wir die Ukraine unterstützen, finanziell, humanitär und auch mit Waffen.“ Nach der von Olaf Scholz am Sonntag, 27. Februar 2022, im Bundestag nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine verkündeten Zeitenwende mit dem Sondervermögen von 100-Milliarden für die Bundeswehr ist er von der Opposition wegen seiner vermeintlich zögerlichen Haltung bei den Waffenlieferungen in das von den Russen gepeinigte Land hart angegangen worden. Aber auch von der Nachfolgerin des Sozialdemokraten Wolfgang Hellmich im Vorsitz des Verteidigungsausschuss, Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus der FDP. Offensichtlich haben diese voreiligen Kritiker außer Acht gelassen, dass jede falsche oder übereilte Entscheidung zu schrecklichen Konsequenzen für Deutschland hätte führen können. Somit war die vom Kanzler praktizierte Besonnenheit vollends angebracht. 

Zusammenhalt

Die Position von Olaf Scholz für den Beistand der Ukraine gegen den russischen Aggressor wird auch vom Soester Bundestagsmitglied Wolfgang Hellmich geteilt. Dies unterstrich er im November 2022 in Berlin bei einem Termin mit Gästen aus der Lippstädter Region und worüber Rote Lippe Rose intern im Heft 11/2022 berichtete. Mit seiner Videobotschaft von Anfang Dezember 2022 hat der Bundeskanzler aus der SPD auch innenpolitische Themen aufgegriffen. Vor dem Hintergrund der durch die fortschreitende Bombardierung der Ukraine stark bestimmten Bundespolitik erklärte er: „Die Aufgaben, die sich für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stellen, die haben wir darüber aber nicht vernachlässigt.“ Dazu zähle die unter anderem Anhebung des Mindestlohns – eine beständige Ankündigung von Olaf Scholz im Bundestagswahlkampf -, ein höheres Kindergeld und ein erweitertes Wohngeld.

Bürgergeld

Überdies ist die Einführung des Bürgergeldes eines der größten Vorhaben der Bundesregierung und des von der SPD berufenen Ministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. Für ihn ist das Bürgergeld mehr als eine Hartz-4-Erhöhung. Die neue Regelung verfolge nach seinen Worten zwei zentrale Ziele:  Zum einen wolle die Regierung „Menschen verlässlich absichern, die in existenzielle Not geraten sind“. Gerade die Corona-Jahre hätten gezeigt, wie schnell dies geschehen könne. Zudem solle dafür gesorgt werden, „dass Menschen dauerhaft aus der Not wieder herauskommen“. Dass es momentan immer noch viele Langzeitarbeitslose gebe, führt der sozialdemokratische Ressortchef darauf zurück, dass zwei Drittel von ihnen keine abgeschlossene Berufsausbildung belegen könnten. Daher habe die Bundesregierung das Thema Qualifizierung stärker in den Vordergrund gestellt. Vorwürfen aus der Opposition und anderen Kreisen, wonach das Bürgergeld ein bedingungsloses Grundeinkommen sei, trat Hubertus Heil entschieden entgegen. Es bestünden weiterhin Mitwirkungspflichten und für „ganz hartnäckige Fälle“ bei einer Verweigerung auch Leistungsminderungen. Für ihn ist es anmaßend, Betroffene unter den „Generalverdacht“ zu stellen, dass sie „zu faul zum Arbeiten“ seien.

Abwägend

Gewiss lief im ersten Jahr der Ampel-Administration nicht alles glatt, was bei den ungleichen roten, gelben und grünen Partnern nicht sonderlich überrascht. Doch bisher hat die SPD-gelenkte Bundesregierung abwägend durch die vielen Herausforderungen geführt, denen sich Deutschland in Gegenwart des russischen Überfalls auf die Ukraine ausgesetzt sieht.

Hans Zaremba