Sozialdemokratie und Gewerkschaften als Einheit begriffen

Hans Zaremba über Engelbert Sander, der 75 Jahre alt wurde

Auf ein bemerkenswertes politisches Leben und eine ebenso beeindruckende Laufbahn in der Politik und bei den Gewerkschaften kann der am gestrigen Freitag 75 Jahre alt gewordene Engelbert Sander zurückblicken. Bereits mit 17 Lebensjahren gehörte er 1946 zu den Mitbegründern der damals in der britischen Besetzungszone entstandenen Radikal-Demokratischen Arbeiterpartei (RDAP), bei deren Gründungsakt er gleich zum stellvertretenden Vorsitzenden dieser überwiegend in Niedersachsen beheimateten und in den fünfziger Jahren wieder aufgelösten Partei gewählt wurde.

49 Jahre Sozialdemokrat

„Mein Interesse an der Politik ist aber schon während der Nazidiktatur geweckt worden, weil wir als Kinder und Jugendliche alle das Kriegsende und einen demokratischen Aufbau herbeisehnten“, blickt Engelbert Sander auf seine persönliche Entwicklung zurück, wozu auch ein Besuch als 16jähriger beim Prozess gegen die Schergen des Konzentrationslagers von Bergen/Belsen gehörte. Von daher war es auch nicht überraschend, dass sein Weg nach dem Niedergang der RDAP in die Sozialdemokratie führte, der er mittlerweile seit 49 Jahren angehört. Viele Funktionen in der und für die SPD sollten folgen. Sie reichen vom stellvertretenden Vorsitz des Lippstädter SPD-Ortsvereins über die Aufgabe als Vizechef des früheren SPD-Kreisverbandes Lippstadt bis in den Vorstand des damaligen Vorstandes des SPD-Unterbezirks Hamm und der Mitgliedschaft im Bezirksausschuss der SPD im Westlichen Westfalen.

SPD gewerkschaftlich geprägt

Seinen persönlichen parteipolitischen Schwerpunkt sah der Altersjubilar überwiegend in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) der SPD, wo er zunächst Vorsitzender des Bezirksausschusses, danach stellvertretender Vorsitzender der Landes-AfA und später auch amtierender Landeschef der AfA war. Ebenso war Engelbert Sander über lange Jahre Vorsitzender der heimischen AfA im 1975 neu entstandenen Kreisgebiet. Für ihn, der schon mit 22 Jahren Mitglied der Industriegewerkschaft Metall wurde und ihr gut zwei Jahrzehnte als hauptamtlicher Funktionär diente, keine Besonderheit. „Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsbewerbung bildete für ihn immer eine Einheit“, beschreibt der heutige Lippstädter SPD-Ortsvereinsvorsitzende Hans Zaremba seine ersten Begegnungen mit Engelbert Sander vor 30 Jahren. Gemeinsam mit Werner Franke, dem langjährigen Mitstreiter von Sander bei den Metallern und in der SPD (Zaremba: „Ein ideales und effizientes Gespann“), habe die Sozialdemokratie in Lippstadt eine „starke gewerkschaftliche Prägung“ erfahren.

Gleichzeitig in drei Vertretungen

Der in Schweskau in Niedersachsen geborene Engelbert Sander wurde nach dem Besuch der Volkshochschule, einer Verwaltungslehre (1943 bis 1946), dem Abendstudium an der Wirtschafts- und Verwaltungsakademie in Hannover (1953 bis 1955) und dem Tagesstudium an der Sozialakademie in Dortmund (1955 und 1956) 1957 im Alter von 28 Jahren in Lippstadt Erster Bevollmächtigter der Metallgewerkschaft. Parallel zur Arbeit in der Gewerkschaft entwickelte sich auch sein politisches Engagement, das ihn von 1961 bis 1975 in den Rat der Stadt Lippstadt, von 1969 bis 1975 in den Kreistag Lippstadt und nach der kommunalen Neuordnung von 1975 bis 1981 in das Gebilde des neuen Soester Kreistages, von 1969 bis 1976 sowie von 1978 bis 1987 zweimal in den Deutschen Bundestag brachte. Der nunmehr 75jährige Gewerkschaftler und Sozialdemokrat gehört zu den wenigen Politikern, die gleichzeitig Mitglied in drei Volksvertretungen (Stadtrat, Kreisparlament und Bundestag) waren.

Weggefährte von Brandt und Schmidt

Dabei konnte er vielfältige Akzente setzen, wofür er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet wurde. Gerne ruft er die Jahre des politischen Aufbruchs der sozialliberalen Koalitionen mit den beiden Bundeskanzlern Willy Brandt (1969 bis 1974) und Helmut Schmidt (1974 bis 1982) in Erinnerung. „Es war damals schon eine spannende Zeit“, beschreibt Engelbert Sander „die in diesen Jahren festzustellende Begeisterung“ in der Bevölkerung und in den Ortsgliederungen seiner Partei. In diesem Zeitraum fallen auch die vielen dienstlichen Auslandsreisen als Bundestagsabgeordneter des seit 1951 verheirateten Vaters von zwei Söhnen und Opas von vier Enkeln. Dazu gehören Begegnungen mit Papst Johannes Paul II, den Präsidenten von Kenia, des Sudan und von Brasilien, Peru, Bolivien, Portugal, Taiwan und Tunesien.

Vielfältige Verdienste

Über diesen hohen Einsatz für die Politik hinaus engagierte er sich von 1985 bis 1988 auch als Vorsitzender des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO), als Geschworener beim Schwurgericht und Schöffe der großen Strafkammer des Landgerichts Paderborn und als Laienrichter beim heimischen Amtsgericht in Lippstadt sowie als alternierender Vorsitzender des Verwaltungsausschusses beim Arbeitsamt Soest und als Mitglied des Berufsbildungsausschusses der Industrie- und Handelskammer in Arnsberg.

Erinnerung an eine spannende Zeit.Engelbert Sander (rechts) im Frühjahr 1972 im Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt.