Eindrücke aus der Bundeshauptstadt

Aus dem Tagebuch von Hans Zaremba

So belebend gemischt von der Altersstruktur her wie die Besucher-Gruppe aus Bad Sassendorf, Ense, Erwitte, Lippstadt, Münster, Oberhausen, Paderborn, Rüthen, Soest, Werl, Welver und Wickede war, war auch das Programm einer Exkursion von 43 Bürgerinnen und Bürgern aus Nordrhein-Westfalen in die Bundeshauptstadt. Eingeladen hatte die Gruppe der aus Bad Sassendorf stammende Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich. Mit der Deutschen Bahn waren die Gäste des im Juni für den jetzigen Ministers für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek aus Oberhausen, nachgerückten SPD-Parlamentariers zu ihrem Berlin-Trip aufgebrochen. Dazu hat der Lippstädter SPD-Ortsvereinsvorsitzende Hans Zaremba seine eigenen Notizen von der Berlin-Tour in Verbindung mit ergänzenden Recherchen aus dem Internet in ein Tagebuch aufgenommen, das an dieser Stelle im vollem Wortlaut veröffentlicht wird.

Ankunft zum ersten Termin in Berlin:Die Gruppe bewegt sich auf den Eingang der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen zu.

Tag 1: Montag, 10. September:

Empfang im NRW-Haus

Zum Auftakt ihrer vier Tage an der Spree wurden die Reisenden aus dem Ruhrpott und den westfälischen Gefilden in der Berliner Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen (NRW) von der fachpolitischen Leiterin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, Susanne Jancke, empfangen. Die Beamtin aus dem nordrhein-westfälischen Landesministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien mit Dienstsitz in Berlin stellte den interessierten Besucherinnen und Besuchern mit einem Rundgang das im Diplomatenviertel an der Hiroshimastraße von den Düsseldorfer Architekten Karl-Heinz Petzinka und Thomas Pink entworfene Gebäude vor. Die direkten Nachbarn der NRW-Vertretung beim Bund sind die Botschaften von Japan und der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Vertretung des Landes Bremen ist nur ein Steinwurf entfernt und in der Nähe der Dependance von NRW in Berlin befinden sich auch das Berliner Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung und die italienische Botschaft.

Erinnerungsbild mit der Referentin in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen:Gerhard Mischer (links) und Michael Keuper aus Paderborn haben Susanne Jancke aus Berlin in ihre Mitte genommen.

Spektakulärer Neubau

Der spektakuläre Neubau mit seiner parabelförmigen Rautenfassade wurde im Wesentlichen aus Holz, Stahl und Glas geschaffen. Nur im Kellerbereich und für die Treppenhäuser wurde Beton verwendet. Das viergeschossige Bürohaus mit Deckenelementen und Fassadentragwerken aus Holz ist auch für das mit vielen Neubauten eher verwöhnte Berlin ein Novum: Die Landesvertretung NRW ist ein Prototyp. Da sind die Auszeichnungen von 2003 mit dem Deutschen Holzbaupreis und 2004 mit dem Deutschen Stahlpreis keine Überraschungen. Auch die Energieversorgung des Gebäudes weicht von den üblichen bautechnischen Pfaden ab. Damit beschreiten die Nordrhein-Westfalen in Berlin konsequent neue Wege zum Schutz der Umwelt. In Kooperation zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und einem überregionalen Energieversorger wurden erstmalig in einem Gebäude dieser Größe die neue Brennstoffzellen-Technik und eine neuartige Mikrogasturbine eingesetzt. Der Brennstoff Erdgas kann folglich zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte maximal ausgenutzt werden. Und auf dem Dach der Landesvertretung sorgt Photovoltaik für die Stromgewinnung durch Sonnenlicht.

Blick in das große Foyer der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin:Dort können 200 Menschen in Stuhlreihen einen Platz einnehmen.

Gelungene Bautechnik

Die gelungene Bautechnik und innovative Energieversorgung wurden ganzheitlich verbunden. Im Vergleich zur vormaligen NRW-Landesvertretung in Bonn ist das Grundstück in Berlin mit 5.500 Quadratmetern (3.905 Hauptnutzfläche, 2.600 Verkehrsfläche und Wintergärten sowie 495 Funktionsfläche) kleiner. Die geschätzten Baukosten werden mit etwa 27,1 Millionen Euro beziffert. Mit einer Länge von 57,1 Metern und einer Breite von 38,2 Metern füllt das Gebäude das Grundstück im vorderen Teil weitgehend aus. Zehn Veranstaltungs- und Besprechungsräume bieten unterschiedlichen Gruppen reichliche Möglichkeiten für ihre Beratungen. Im Erdgeschoss gibt es einen großen Saal, wo 200 Personen in Stuhlreihen Platz finden. Zudem sind dort drei Dolmetscherkabinen für internationale Treffen vorhanden. Arrondiert wird der Komplex mit zwei Konferenz- und Speisesälen mit der Kapazität für 60 bis 80 Personen an der Südseite des Gebäudes und einem großen Foyer, wo weitere 200 Menschen in Stuhlreihen untergebracht werden können.

Breit gemischt war die Altersstruktur der Teilnehmer der Berlin-Tour:Dazu zählten auch diese drei jungen Leute aus Oberhausen, die sich im Foyer der NRW-Landesvertretung zum Bild einfanden und von denen sich einer als bekennender BVB-Fan outete.

Wohnungen und Arbeitsabläufe

Im Haus an der Hiroshimastraße haben sowohl die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch die Hausherrin und Bevollmächtige des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund, die Landesministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD), jeweils eine kleine Wohnung, die ihnen bei ihren häufigen Berlin-Aufenthalten eine Herberge bilden. Auch die nordrhein-westfälischen Landesgruppen der im Bundestag vertretenen Parteien nutzen das schmuckvolle Ambiente für ihre Beratungen. So hatte auch der heimische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich (SPD) während des Aufenthaltes der von ihm eingeladenen Gruppe in Berlin einen politischen Termin im Domizil von NRW in der Bundeshauptstadt. Über diese vielen Einzelheiten zum Gebäude und seiner Nutzung hinaus erläuterte die Landesbedienstete Susanne Jancke den Leuten aus Bad Sassendorf, Ense, Erwitte, Lippstadt, Münster, Oberhausen, Paderborn, Rüthen, Soest, Werl, Welver und Wickede auch die Aufgabenstellung der Institution, die ihre Rechtsgrundlage im Artikel 50 des Grundgesetzes („Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit“) hat und die Arbeitsabläufe in der Behörde. Die Landesvertretung ist eine Scharnierfunktion zwischen Bundes- und Landespolitik und vermittelt Informationen in beide Richtungen. Dabei vertritt sie die Interessen des Landes und wirkt an der Gesetzgebung im Bundesrat mit. Auch die Fachausschüsse des Bundestages werden von den Mitarbeitern der Vertretung besucht, damit die Ministerpräsidentin und die Landesregierung über die Vorhaben von Bundesregierung und Parlament informiert sind. Auch die Europapolitik des Landes wird von der Landesvertretung koordiniert und in den zuständigen Gremien in Brüssel vertreten. Darüber hinaus ist die Vertretung ein Gesprächspartner für Verwaltungen, Verbände, Journalisten und interessierte Bürger.

Begeisterte durch ihre Redegewandheit und Fachwissen über Berlin:Die Berliner Stadtschleicherin für Roller und Latscher, Anne Gollin.

Tag 2: Dienstag, 11. September, Teil 1:

Willy-Brandt-Haus

In Verbindung mit einer Stadtführung – orientiert an politischen Gesichtspunkten und mit viel Fachwissen sowie großer Eloquenz durch die „Stadtschleicherin für Roller und Latscher‘, Anne Gollin, begleitet – wurde die Visite der Rheinländer und Westfalen mit einer Einkehr in das Willy-Brandt-Haus im Stadtbezirk Kreuzberg fortgesetzt. Das 3.225 Quadratmeter große Eckgrundstück an der Wilhelmstraße, auf dem die Sozialdemokratie ihre Zentrale errichtet hat, wurde von der SPD im Jahr 1992 erworben. Für dieses Areal hatte der Architekt Helge Bofinger schon im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984/87 (IBA) den preisgekörnten Entwurf eines Wohn- und Geschäftshauses geliefert, der allerdings nicht zur Verwirklichung gekommen ist. Die Absicht war damals, in der durch zahlreiche Brachflächen und eine zusammenhanglose, qualitätsarme Nachkriegsbebauung gekennzeichneten Umgebung in der südlichen Friedrichstadt einen möglichst anregenden Akzent zu setzen. Der Entwurf aus den 1980er Jahren deckte sich weitgehend mit den Vorstellungen der neuen Bauherren aus der Sozialdemokratie. Die Pläne wurden, wo nötig, dem veränderten Nutzungsprofil angepasst, und in nur zweijähriger Bauzeit umgesetzt. Im Mai 1996 konnte das Willy-Brandt-Haus eingeweiht werden.

Informationen über ein offenes Haus für Politik und sonstige Veranstaltungen:Die Besuchergruppe des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hellmich besichtigt das Atrium im Willy-Brandt-Haus.

Politische Diskussion

Auf einem spitz zulaufenden Grundstück ist ein siebengeschossiger Bau entstanden, die Traufhöhe von 22 Metern wurde der Umgebung angepasst. Stilistisch zeigt das Haus deutliche Anklänge an die Klassische Moderne, es erinnert an bekannte Bauten der 1920er und frühen 1930er Jahre. Wesentliche Materialien sind Glas, heller Kalkstein und blau schimmerndes Metall. Ein ausgefeiltes ökologisches Konzept ermöglicht niedrigen Energieverbrauch, reduzierte Emissionen und die Nutzung natürlicher Ressourcen beispielsweise durch ein teilweise begrüntes Dach mit 300 m² Solarzellen. Von einer Passage aus, die Stresemannstraße mit der Wilhelmstraße verbindet, wird ein haushohes, verglastes Atrium erreicht, über Treppen und gläserne Aufzüge gelangt man zu den verschiedenen Ebenen. Das Willy-Brandt-Haus ist als offenes Haus konzipiert. Für kulturelle Aktivitäten – Kunstausstellungen und dergleichen – sind geeignete Flächen und Räume vorgesehen. Im Erdgeschoss befinden sich Ladengeschäfte und gastronomische Einrichtungen, die beiden unteren Büroetagen werden von externen Mietern genutzt. In der fünften Etage hat der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sein Büro. Ganz oben in der Spitze des Gebäudes befindet sich hinter einer halbrunden Glasfront der große Präsidiumssaal. Über die Besichtigung des seit 1999 nach dem Umzug des SPD-Parteivorstandes und seiner Administration aus dem Erich-Ollenhauer-Haus in Bonn in das Willy-Brandt-Haus in Berlin von Bundes-SPD genutzte Haus gab es für die vom Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hellmich eingeladenen Frauen und Männer auch eine politische Diskussion. Dazu war Dennis Buchner, Diplom-Politikwissenschaftler, Mitarbeiter der SPD-Bundeszentrale und Mitglied des Berliner Landesparlaments, dem Abgeordnetenhaus in der Hauptstadt, erschienen. Er stellte unter anderem auch den vom SPD-Parteivorstand initiierten bundesweiten Bürgerdialog seiner Partei vor.

Bürgerdialog der Sozialdemokraten näher gebracht:Diese Aktion des SPD-Parteivorstandes wurde der Gruppe aus dem Rheinland und Westfalen von Dennis Buchner im Willy-Brandt-Haus vermittelt.

Tag 2: Dienstag, 11. September, Teil 2:

Drastischer Kontrast

Drastischer hätte der Kontrast nicht sein können: Am Vormittag noch zu Besuch im schmucken Willy-Brandt-Haus und am Nachmittag zu einem Informationsgespräch im früheren Untersuchungsgefängnis der Staatsicherheit (Stasi) der untergegangenen DDR in Berlin-Hohenschönhausen. Unterdessen ist aus dem Gefängnis eine Gedenkstätte geworden. Sie befindet sich an einem Ort, der wie kaum ein anderer in Deutschland von 1945 bis 1989 mit politischer Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR verknüpft ist. Auf dem Gelände einer ehemaligen Großküche im Nordosten Berlins wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein sowjetisches Speziallager errichtet. Nach der Schließung des Lagers im Oktober 1946 entstand im Keller des Gebäudes das zentrale sowjetische Untersuchungsgefängnis für Ostdeutschland. 1951 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Gefängnis, erweiterte es 1961 durch einen Neubau und nutzte es bis 1989 als zentrale Untersuchungshaftanstalt. Tausende politisch Verfolgte waren an diesem Ort inhaftiert, darunter fast alle bekannten DDR-Oppositionellen. Die physische Gewalt der 1950er Jahre wurde seit den 1960er Jahren durch raffinierte psychologische Foltermethoden ersetzt. Über den Ort ihrer Haft ließ man die Insassen bewusst im Unklaren. Systematisch gab man ihnen das Gefühl, einem allmächtigen Staat ausgeliefert zu sein. Von der Außenwelt hermetisch abgeschnitten und von den Mitgefangenen meist streng isoliert, wurden sie durch gut ausgebildete Vernehmer monatelang verhört, um sie zu belastenden Aussagen zu bewegen. Erst die friedliche Revolution im Herbst 1989, die das Ende der SED-Diktatur einleitete, führte zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes und seiner Gefängnisse. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 wurde die Haftanstalt in Berlin-Hohenschönhausen geschlossen.

Einblick in eines der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte:Mit einem Film wurde im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen die Allmacht und Willkür des Ministierums für Staatssicherheit im untergegangenen vermeintlichen Arbeiter- und Bauernstaat dargestellt.

Zentrale der Repression

Rund um die Haftanstalt in der Berliner Genslerstraße waren zugleich die zentralen Diensteinheiten ansässig, die beim MfS für strafrechtliche Ermittlungen und Gefängnisse zuständig waren: die Hauptabteilung IX und die Abteilung XIV, die direkt dem Minister für Staatssicherheit unterstellt waren. Sie kontrollierten sämtliche Ermittlungsabteilungen und Untersuchungshaftanstalten in den 15 DDR-Bezirken und leiteten deren Arbeit an. Der Ort bildete die Zentralstelle kommunistischer Repression in Ostdeutschland. Die Untersuchungshaftanstalt befand sich in einem militärischen Sperrbezirk, der von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen war. In dem Gebiet, das auf keinem Ostberliner Stadtplan eingezeichnet war, residierten noch weitere Diensteinheiten des MfS: der Operativ-technische Sektor (OTS), der unter anderem für den Bau von Abhöranlagen zuständig war, die Hauptabteilung IX/11 mit ihrem geheimen NS-Archiv sowie ein Teil des Spionageapparates der Hauptverwaltung A (HVA). Unmittelbar neben dem Gefängnis befand sich bis 1974 das Arbeitslager „X”, in dem bereits verurteilte Strafgefangene für den Staatssicherheitsdienst Zwangsarbeit leisten mussten.

Einst für die Häftlinge kaum sichtbar, heute ein großer zugänglicher Bereich:Der Hof des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses der Stasi in Hohenschönhausen.

Michael Bradler

Auch Michael Bradler und Harry Santos, die als Ansprechpartner den Besuchern aus Nordrhein-Westfalen zur Verfügung standen, waren von den Häschern des Despoten an der Spitze des Ministeriums für Staatsicherheit (MfS), Erich Mielke (SED), in die Untersuchungsanstalt gebracht worden. Das Schicksal von Michael Bradler, der einen Teil der Gruppe aus Nordrhein-Westfalen durch das Gelände, die Kerker und die Vernehmungszimmer der DDR-Schergen führte, ist kennzeichnet für die Lebensläufe vieler anderer Häftlinge im MfS-Knast. Michael Bradler wurde 1961 in Ost-Berlin geboren und erlernte den Beruf eines Präzisionsmechanikers. Nach dem frühen Tod seiner Mutter im Jahr 1970 kümmerten sich die Großeltern um den Heranwachsenden. Als diese und sein bester Freund in den Westen übersiedelten, wollte auch er die DDR verlassen. 1981 stellte er erstmals einen Ausreiseantrag, den er bis 1982 regelmäßig wiederholte. Als er sich mit einem bereits ausgereisten Freund in der Tschechoslowakei traf, um über seine Ausreisepläne zu sprechen, brach sein Vater den Kontakt zu ihm ab. Er erkundigte sich sogar bei der Abteilung des Innern der DDR, ob sein Sohn nicht in die Armee eingezogen werden könnte. Auch die DDR-Behörden verlangten von Michael Bradler die Rücknahme seines Ausreiseantrages. Mehrfach wurde er deshalb zur Abteilung Inneres vorgeladen. In seinem Betrieb wurde er von der Forschungsabteilung ins Heizhaus versetzt. Im Januar 1982 begab er sich schließlich zum Grenzübergang Sonnenallee in Ost-Berlin, um in den Westen auszureisen. Gegenüber den Grenzbeamten erklärte er: ‚Ich möchte die DDR verlassen. Ich habe sieben Ausreiseanträge gestellt, die alle abgelehnt wurden. Ich möchte zu meinen Großeltern nach West-Berlin.‘ Michael Bradler wurde daraufhin vom MfS verhaftet und in das zentrale Untersuchungsgefängnis in der Berliner Magdalenenstraße gebracht. Dort wurde er sieben Stunden lang überwiegend nachts verhört. Am darauf folgenden Tag brachte man ihn in einem als Wäschetransporter getarnten Gefangenentransportwagen in die Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen. Die Vernehmer des MfS beschuldigten ihn der landesverräterischen Nachrichtenübermittlung, was laut Strafgesetzbuch der DDR mit bis zu zwölf Jahren Haft bestraft werden konnte. Zugleich boten sie ihm seine Freilassung an, wenn er seinen Ausreiseantrag zurückziehe. Michael Bradler lehnte ab und wurde im Mai 1982 zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Im Rahmen des Häftlingsfreikaufs schob man ihn im Oktober 1982 nach neun Monaten Haft in den Strafvollzugsanstalten Berlin-Rummelsburg und Cottbus in die Bundesrepublik ab.

Sein Lebenslauf ist ein Beispiel für viele ehemalige Insassen im Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit während der DDR-Diktatur:Michael Bradler (rechts) im Gespräch mit dem ehemaligen Soester Bürgermeister Peter Brüseke (links) und dem Paderborner Landesbeamten Michael Keuper.

Tag 3: Mittwoch, 12. September, Teil 1:

Notaufnahmelager Marienfelde

Mit einem weiteren Teil der verabscheuenswerten DDR-Vergangenheit wurden die von den beiden Mitarbeiterinnen Judith Funk (Oberhausen) und Daniela Scharf (Erwitte) aus dem Abgeordnetenbüro von Wolfgang Hellmich betreuten Reisenden aus dem Ruhrpott und Westfalen im ehemaligen Notaufnahmelager Marienfelde konfrontiert. Dort, wo ab Mai 1952 mit der Abriegelung der innerdeutschen Grenze bis zum Mauerbau am 13. August 1961 für Tausende von Flüchtlingen aus der DDR die erste Unterkunft im Westen und später auch viele Übersiedler vorübergehend eine Bleibe bereitgestellt wurde, ist inzwischen eine ständige Ausstellung zu betrachten. Sie wurde den Gästen des Bad Sassendorfer Bundestagsmitgliedes von Harald Fiss (von 1985 bis 1990 als leitender Mitarbeiter des heutigen Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Berlin die Entwicklung in Marienfelde miterlebt und mitbestimmt hat und von 1995 bis 2007 Vorsitzender des Trägervereins der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde e.V. war und heute dieser Vereinigung als ihr Ehrenvorsitzender verbunden ist) und Stefan Kovacevic (Mitarbeiter der am Stadtrand von Berlin gelegenen Gedenkstätte)nähergebracht.

Motor für eine Ausstellung über die schwierige Zeit während des kalten Krieges in Deutschland:Harald Fiss (Bildmitte), ehemals Leiter des Notaufnahmelagers in Marienfelde und heute Ehrenvorsitzender des Trägervereins der Erinnerungsstätte.

Gründung aus der Not

Am 14. April 1953 weihte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss an der Marienfelder Allee 66/80 das zentrale Notaufnahmelager für Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR ein. Das Lager war eine Gründung aus der Not: Im Jahr 1953 hatten 335.000 Menschen dem Regime von Walter Ulbricht (SED) den Rücken gekehrt, davon allein 305.000 über die damals noch offene Sektorengrenze von Ostberlin nach Westberlin. Zwangsläufig trug die Frontstadt West-Berlin die Hauptlast der Fluchtbewegung seit dem die DDR-Diktatoren die innerdeutsche Grenze immer mehr zu einer unüberwindbaren Festung ausbauten. Somit konzentrierte sich der Flüchtlingsstrom verstärkt auf die geteilte Stadt, wo die Demarkationslinie zwischen Ost und West bis zum 13. August 1961 noch passierbar war.

Überall griff die Staatssicherheit in das Leben der Menschen in der DDR ein:Darüber informierte sich in der Gedenkstätte Marienfelde auch Dieter Brüseke aus Soest.

Ständige Ausstellung

Mit ihrer ständigen Ausstellung lädt die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde ein, um die Geschichte der deutschen Teilung und der deutsch-deutschen Fluchtbewegung von 1949 bis 1990 zu entdecken. Die Ausstellung ist im ehemaligen Haupthaus des Notaufnahmelagers eingerichtet, wo sich früher Warteräume für die Flüchtlinge und Übersiedler sowie Büros der aufnehmenden Dienststellen befanden. Auf rund 450 Quadratmetern und mit über 900 Exponaten – ergänzt durch zahlreiche Zeitzeugenberichte – erzählt sie anschaulich von Fluchtmotiven, Fluchtwegen sowie von Chancen und Problemen beim Neubeginn in der Bundesrepublik. Daneben ist die Geschichte des Aufnahmelagers von den Anfängen bis heute dargestellt: vom Ablauf des Aufnahmeverfahrens über den Alltag der Bewohner bis hin zur Observierung durch die DDR-Staatssicherheit. Eine original eingerichtete Flüchtlingswohnung rundet das umfassende und zugleich detaillierte Bild der Flucht im geteilten Deutschland ab.

Stellte sich den Fragen seiner Gäste im Paul-Löbe-Haus:Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich aus Bad Sassendorf.

Tag 3: Mittwoch, 12. September, Teil 2:

Treffen im Bundestag

Zu einer Einladung eines Bundestagsabgeordneten in die Hauptstadt gehört auch ein Treffen mit ihm im deutschen Parlament. Dieser Besuch beinhaltete zugleich, auch mehr über die wechselvolle Geschichte des Reichstagsgebäudes zu erfahren, wo seit 1999 der Deutsche Bundestag seinen Sitz hat und seit 1994 von der Bundesversammlung auch alle Bundespräsidenten gewählt worden sind. Der Bau wurde von dem Architekten und Hochschullehrer Paul Wallot von 1884 bis 1894 im Stil der Neorenaissance errichtet. Er beherbergte den Reichstag des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Durch den Reichstagsbrand von 1933 und in Folge des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude schwer beschädigt, in den 1960er Jahren in modernisierter Form wiederhergestellt und von 1991 bis 1999 für seinen heutigen Zweck noch einmal grundlegend umgestaltet. Die vom SPD-Bundestagsmitglied Wolfgang Hellmich zuvor im angrenzenden Paul-Löbe-Haus begrüßten Besucherinnen und Besucher erlebten hier einen Teil der Haushaltsdebatte, wo über den Verteidigungsetat diskutiert wurde und ihr Gastgeber als Mitglied des Verteidigungsausschusses mit im Parlament zugegen war.

Die Sozialdemokratie wird in 2013 bereits 150 Jahre alt:Darin erinnert gegenwärtig im Paul-Löbe-Haus eine Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Diskussion mit Wolfgang Hellmich

Bei der Zusammenkunft mit Wolfgang Hellmich im Paul-Löbe-Haus hatte dieser einen ersten Überblick zu seinen ersten 80 Tagen als Mitglied des Bundestages vermittelt. Dazu gehörte Anfang September 2012 auch eine Reise nach Afghanistan, wo sich die Bundeswehr seit nun knapp zehn Jahren im Einsatz befindet. Der Rückzug der Streitkräfte, die künftige Sicherung der von den Deutschen errichteten Einrichtungen und die schwierigen Bedingungen der Soldaten in dem verarmten Land am Hindukusch waren ein Thema des Gespräches mit dem 54jährigen Sozialdemokraten. Ebenso standen die Energiepolitik, die Rentenproblematik und der bevorstehende Bundestagswahlkampf im Mittelpunkt des Meinungsaustausches mit dem früheren stellvertretenden SPD-Landesgeschäftsführer. Mehr über das Gespräch mit Wolfgang Hellmich wird noch in einem gesonderten Beitrag auf dieser Homepage veröffentlicht.

Erinnerungsfoto nach einem interessanten Nachmittag und Abend im Deutschen Bundestag:Der Verfasser dieses Tagesbuches, Hans Zaremba (Mitte,) flankiert von seinen früheren Kollegen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Michael Keuper (links) und Gerhard Mischer.

Tag 4: Donnerstag, 13. September, Teil 1:

Jüdische Geschichte:

Am vierten Tag stand die Geschichte der Juden in Deutschland auf dem Ablaufplan, wozu ein Besuch im Jüdischen Museum gehörte. Dieser Komplex in Kreuzberg ist das größte jüdische Museum in Europa. Es zeigt dem Besucher, wie der Museumspädagoge Murad Akan ausführte, zwei Jahrtausende deutsch-jüdische Geschichte, die Höhe- und Tiefpunkte der Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland. Im Museum befinden sich eine Dauerausstellung, mehrere Wechselausstellungen, Archive, eine Bibliothek, das Rafael Roth Learning Center und Forschungseinrichtungen. All diese Abteilungen dienen dazu, jüdische Kultur und jüdisch-deutsche Geschichte darzustellen.

Nachdenkliche Besucherinnen und Besucher im Jüdischen Museum:Viele von ihnen konnten nach dem Termin in dem Haus in Kreuzberg ihre Eindrücke nur schwer in Worte fassen.

Daniel Libeskind

Das Gebäude in der Lindenstraße verbindet den barocken Altbau des Kollegienhauses (ehemaliger Sitz des Kammergerichts) mit einem Neubau. Dieser zickzackförmige Bau geht auf einen Entwurf des US-amerikanischen Architekten Daniel Libeskind zurück und soll an einen geborstenen Davidstern erinnern. Auf der anderen Seite der Lindenstraße wird seit 2011 eine Erweiterung des Museums in die ehemalige Blumengroßhalle hineingebaut. Nach einem weiteren Entwurf des amerikanischen Stararchitekten, der auch den Wiederaufbau des durch einen Terrorangriff am 11. September 2001 zerstörten World Trade Centers in New York verantwortet, sollen dort Flächen für eine Bibliothek, Pädagogische Museumsarbeit und einen Garten unter Bewahrung der Außenhülle angelegt werden. Das Museum ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts in der Verantwortung des Bundes. Das Museum hatte seit der Eröffnung 2001 bis Ende 2011 knapp 7,5 Millionen Besucher. Mit rund 722.000 Besuchern im Jahr 2011 gehört es zu den meistbesuchten Berliner Museen.

Eine der Achsen im Jüdischen Museum:Sie erinnert an die schweren Verbrechen der Nazis und ihrer willfähigen Helferinnen und Helfer an das jüdische Volk in den Konzentrationslagern.

Zwei Gebäude

Das Jüdische Museum in Berlin besteht im Wesentlichen aus zwei Gebäuden, dem barocken Altbau des Kollegienhauses und dem Neubau im Stil des Dekonstruktivismus von Daniel Libeskind. Beide Häuser haben keine oberirdisch sichtbare Verbindung, sondern sind nur durch das Untergeschoss miteinander erreichbar. Oberirdisch an den Altbau ist ein weiterer Neubau angeschlossen, der als Gruppeneingang und Gruppengarderobe dient und auch einen Zugang zum Garten bietet. Von der Lindenstraße ist dieser Bau allerdings durch das große Hoftor verdeckt. Teile der Verwaltung und anderer Abteilungen sind zudem in umliegenden Bürogebäuden untergebracht. Im September 2007 eröffnete das Museum den neuen Glashof und sein Dach überspannt den großen Innenhof des Altbaus.

Der Holocaust-Turm:Er zeigt die ganze Ausgeliefertheit der jüdischen Menschen in den Fängen ihrer menschenverachtenden Häscher:

Architektur

Die Architektur des zickzackförmigen Neubaus zeichnet sich durch den Titan-Zink-Mantel, die ungewöhnlich geformten Fenster, die vielen spitzen Winkel in den Wänden, die schiefen Böden und den häufig sichtbaren Beton aus. Durch den Eingangsbereich im Altbau gelangen Besucher über eine schwarze Schiefertreppe ins Untergeschoss des Neubaus, in dem sich die Hauptausstellung des Museums, weitere Sonderausstellungen und Rafael Roth Learning Center befinden. Nach dem Betreten des Neubaus trifft man zunächst auf drei sich kreuzende schiefe „Achsen“: die Achse der Kontinuität, die an einer hohen, steilen zur Dauerausstellung führenden Treppe endet, die Achse des Exils und die Achse des Holocaust.

Meinungsaustausch über die Empfindungen im jüdischen Museum:Die Besucherinnen und Besucher aus der Gruppe des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hellmich beim gemeinsamen Mittagessen in der Lichthalle des Museums.

Achse des Exils

Die Achse des Exils führt aus dem Gebäude hinaus in den Garten des Exils, eine tiefer liegende quadratische Fläche, deren begrenzende Betonmauern die Sicht in die Umgebung verhindern. Im Garten des Exils stehen 49 sechs Meter hohe Betonstelen auf einem schiefen Grund, auf denen Ölweiden gepflanzt sind, da Ölbäume, die in der jüdischen Tradition Frieden und Hoffnung symbolisieren, das Klima nicht vertragen würden. Die Zahl 49 nimmt Bezug auf das Gründungsjahr des Staates Israel, 1948, während die 49. Stele in der Mitte für Berlin steht. Ursprünglich sollte sie mit Erde aus Jerusalem gefüllt werden. Dieser Plan wurde jedoch nicht umgesetzt. Des Weiteren ist die Zahl Sieben im Judentum (7 × 7 = 49). Man kann im Garten die Erfahrung des Exils hautnah erfahren. Der Besucher fühlt sich erst fremd, dann ist der Gang durch den Garten geprägt von Unsicherheit, denn aufgrund des schiefen Bodens gerät man leicht ins Taumeln und die Betonsäulen beschränken die Sicht ungemein. Im Frühsommer, während der Blütezeit der Ölweiden, wirkt der Garten aufgrund des starken Duftes noch fremder.

Planen auch für die Zukunft politische Bildungsfahrten nach Berlin:Daniela Scharf und Norbert Geides vom Heinz-Kühn-Bildungswerk aus Dortmund.

Holocaust-Turm

Die Achse des Holocaust endet am Holocaust-Turm. Dies ist ein dunkler Gedenkraum, in den nur durch eine Spalte in der Decke Tageslicht eindringt. Auf die meisten Menschen wirkt dieser Raum beklemmend und unfassbar. Der Raum hat jedoch nur symbolische Bedeutung und ist nicht etwa der Nachbau einer Gaskammer, wie viele Besucher denken. In etwa zweieinhalb Metern Höhe gibt es eine für Wartungsarbeiten angebrachte Leiter im Turm, die bis zur Decke führt. Nach Meinung mancher Besucher dient diese als Rettungsweg oder als Symbol für das Unerreichbare.

Aufbruch zur letzten Station in Berlin:Es steht zum Ende eine Tour mit dem Schiff auf dem Programm.

Tag 4: Donnerstag, 13. September, Teil 2:

Band des Bundes

Als Band des Bundes bezeichnen die Berliner die Anordnung von Gebäuden, das im Regierungsviertel von Berlin nördlich des Reichstages quer über den Spreebogen am Rand des Spreebogenparks verläuft und das städtebauliche Leitkonzept der Neuordnung des Regierungsviertels darstellt. Das etwa 900 Meter Band umfasst (von West nach Ost) den Kanzlerpark am rechten Spreeufer, das ihm gegenüberliegende Bundeskanzleramt am linken Spreeufer, das Paul-Löbe-Haus, das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (wieder auf dem rechten Spreeufer) und darüber hinaus das nicht realisierte Bürgerforum zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus, wo sich jetzt eine Freifläche befindet. Aus der Luft erscheinen alle dazugehörigen Gebäude wie ein massiver weißer Riegel, der sich quer über den Spreebogen legt und die Spree zweimal kreuzt. Der Eindruck des Zusammenhangs wird durch die Brücken über die Spree zwischen den Gebäuden des Bandes verstärkt.

Sorgten für einen angenehmen Aufenthalt aller 43 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Ruhrpott und Westfalen in Berlin:Von links nach rechts Daniela Scharf und Judith Funck aus dem Büro von Wolfgang Hellmich sowie Anne Gollin aus Berlin, die ihre Heimatstadt für viele der Besucherinnen und Besucher von einer bislang unbekannten Seite zeigte.

Schiffstour

Diese Eindrücke vom „Band des Bundes“ wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einer Schiffstour durch das Regierungsviertel vermittelt. Diese Fahrt diente aber auch dazu, etwas mehr über die angrenzenden Bereiche – wie das Regierungsviertel, das ehemalige Staatsratsgebäude und das Rote Rathaus, Dienstsitz des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit (SPD) – zu erfahren.