Von der Rente bis zur Industriepolitik

DGB und SPD wollen Entfremdung überwinden

Einst pflegten DGB und SPD eine bevorzugte Partnerschaft – bis sie sich über die „Agenda 2010“ und die Rente mit 67 entfremdeten. Doch inzwischen sind sie wieder enger zusammengerückt, was auch am Dienstagabend beim öffentlichen Dialog des Lippstädter SPD-Ortsvereins „Gewerkschaften und Sozialdemokratie“ mit dem Ersten Bevollmächtigten der Industriegewerkschaft Metall (IGM), Alfons Eilers, und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hellmich deutlich wurde.

Gruppenbild im „Alten Brauhaus“ beim Dialog zum Verhältnis von DGB und SPD:Von links Gesprächsleiter Hans-Joachim Kühler, IG-Metall-Bevollmächtigter Alfons Eilers, Bundestagsabgeordneter Wolfgang Hellmich und SPD-Ortsvereinsvorsitzender Hans Zaremba. Foto: Helmut Klemme

Sozialdemokratische Handschrift

Dabei stellte der vor Pfingsten zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschuss gewählte Hellmich „die sozialdemokratische Handschrift“ des von seiner Partei eingegangenen Koalitionsvertrages der gegenwärtigen Bundesregierung heraus. Überdies hob er die enge Abstimmung der SPD mit den Gewerkschaften beim Zustandekommen des Kataloges für die Legislaturperiode von 2013 bis 2017 hervor. Den gesetzlichen Mindestlohn charakterisierte das in Bad Sassendorf lebende Mitglied der Sozis und IGM als „historischen Schritt“. Und mit der abschlagsfreien Rente mit 63 habe die SPD „die Lebensleistung nach 45 Arbeitsjahren gewürdigt und etwas mehr an Gerechtigkeit geschaffen“. Klar bekannte sich der Parlamentarier für das jetzt vom Bundestag beschlossene Tarifeinheitsgesetz, dem er vor dem Aspekt „ein Betrieb und ein Tarifvertrag“ zugestimmt habe und unterstrich. „Dies ist kein Eingriff in das Streik- und Tarifrecht.“ Obwohl auch der Gewerkschaftler Eilers, ein vehementer Kritiker der Regierung des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, eine Verbesserung der Beziehung zwischen den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie einräumte, fiel seine Bewertung der SPD-Politik („Was ist nach der Rente mit 63 und dem Mindestlohn gekommen?“) differenzierter aus. Zudem beklagte der IGM-Funktionär „verschlafene Maßnahmen“ für den Erhalt der Infrastruktur, wo infolge nicht rechtzeitiger Sanierungen von Brücken viele Fahrzeuge nicht bewegt werden könnten und einigen Betrieben die Aufträge wegbrechen würden. Auf die in die Jahre gekommenen Brückenbauwerke in Südwestfalen habe der Bund, so Hellmich in seiner Replik, durchaus rasch reagiert und notwendige Mittel zur Verfügung gestellt. Jedoch sei man zwischen Rhein und Weser durch den in den letzten Jahren beim Landesbetrieb Straßen NRW forcierten Abbau von Ingenieurstellen in einer ebenso flinken Umsetzung der Handlungen gehemmt gewesen, „während andere Bundesländer darauf besser vorbereitet waren“.

Kritischer Blick:Den hatten die hier abgebildeten Mitglieder aus der Seniorengruppe der Industriegewerkschaft Metall in Lippstadt auf die Arbeit der schwarzroten Koalition in Berlin.

Vorausschauende Industriepolitik

Kritisch betrachtete Eilers die Entwicklung in der Geldwirtschaft, wo nach der Überwindung der Finanzkrise von 2008 vieles erneut so liefe wie früher und die Banker wieder die umstrittenen Boni-Vergütungen erhielten. Sorge bereiteten ihm auch die Zunahme der Insolvenzen in Nordrhein-Westfalen, der ab 2020 drohende Facharbeitermangel und der Wegfall einfacher Arbeitsplätze. Der IG-Metaller vermisste eine vorausschauende Industriepolitik der SPD. Mit ihr hätte man auf die sich länger abzeichnenden Herausforderungen wesentlich früher reagieren können. In der vom vormaligen Zweiten IGM-Bevollmächtigen und heutigen SPD-Seniorenbeauftragten Hans-Joachim Kühler geleiteten Zusammenkunft sorgte sich Rainer Henkel, ehemaliger Betriebsrat bei der „Rothen Erde“ in Lippstadt, um die Rentenentwicklung bei fallendem Niveau auf 43 Punkte und „die damit verbundene Altersarmut“. Sie sieht auch Eilers mit Blick auf die Jahre 2020 bis 2025 „auf uns zurollen“, zumal sich die Riester-Rente als Flop erwiesen habe. Eine Einschätzung, die auch von Hellmich geteilt wurde. Für den SPD-Abgeordneten steht der Bund in der Pflicht, künftig noch mehr über den Haushalt für die Rentenempfänger zu tun, „da es über den bisherigen Weg nicht mehr gehen wird“.

Hans Zaremba

Wünscht sich eine Fortführung des Dialoges:Die Sozialdemokratin und Gewerkschaftlerin Marianne Schobert (vorne im Bild) von Ver.di. Fotos (2): Hans Zaremba