Eine denkwürdige Konferenz der SPD in 1986

Erinnerungen an die 2008 verstorbene Annemarie Renger und ihr Engagement an der Lippe

Es war gerade Herbstwoche, als Engelbert Sander im Oktober 1985 seinen politischen Freunden Annemarie Renger als künftige Wahlkreisabgeordnete empfahl. Zuvor hatte der ursprünglich von den Lippstädter Sozialdemokraten als Nachfolger von Engelbert Sander vorgeschlagene Eike Hovermann mitgeteilt, bei der Bundestagswahl im Januar 1987 nicht antreten zu wollen. Andere Ortsvereine favorisierten den damaligen Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks und ehrenamtlichen Bürgermeister von Welver, Klaus Theo Rohe, als ihren Volksvertreter in Bonn. Mit dem vom Parlamentarier Engelbert Sander eingefädelten Coup war plötzlich eine völlig neue Lage entstanden.

Coup eingefädelt:Der damalige Bundestagsabgeordnete und im April 2004 verstorbene Gewerkschaftler Engelbert Sander hatte im Herbst 1985 die Idee, die Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger für eine Kandidatur der SPD im heimischen Wahlkreis einzuladen. Das Foto ist im Dezember 1985 bei der Jubilarehrung des Lippstädter SPD-Ortsvereins im Lokal Ortwein entstanden.

Großer Auflauf von Journalisten

Für Annemarie Renger und Klaus-Theo Rohe begann damit ein spannender parteiinterner Wahlkampf. Auf der denkwürdigen SPD-Konferenz in Wickede am 31. Januar 1986 siegte der Welveraner vor der SPD-Frau mit Wohnsitz am Rhein. Der Dritte im Bunde, der von der SPD in Lippetal aufgebotene Ratsherr Josef Neumann (seit Mai 2010 als direkt gewählter Vertreter des Wahlkreises Wuppertal III und Solingen II Mitglied im NRW-Landesparlament) hatte keine Chance, ihm blieb nur ein Achtungserfolg. Weder vor noch nach Wickede hat es je einen so großen Auflauf von Journalisten bei einem kreisweiten SPD-Treffen gegeben. Die Schar der Medienleute reichte vor 30 Jahren im Wickeder Bürgerhaus vom Korrespondenten des Westdeutschen Rundfunks über den Parlamentsredakteur des Bonner Generalanzeigers bis zum Büroleiter der Süddeutschen Zeitung in Bonn.

Unterwegs im Wahlkreis: Annemarie Renger im Januar 1986 als Modell bei angehenden Hairstylistinnen und Kosmetikerinnen. Mit im Bild die Vizelandrätin und im Sommer 2011 verstorbene Lippstädter Sozialdemokratin Elisabeth Kuppert, die vor drei Jahrzehnten die prominente Politikerin aus Bonn bei fast allen Terminen im Kreis Soest begleitete.

Nachhaltiger Eindruck im Wahlkreis

Annemarie Renger hatte im SPD-Vorwahlkampf von November 1985 bis Januar 1986 einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sie besuchte in dem Vierteljahr ihres Engagements vor Ort unter anderem Wirtschaftsbetriebe in Warstein, Sozialeinrichtungen in Lippstadt, das Versuchsgut „Haus Düsse“ in Bad Sassendorf und mehrere Schulen im Kreis. Zudem knüpfte sie vielfältige Kontakte zur SPD-Basis. Wenige Tage vor Weihnachten 1985 war sie Ehrengast bei der Jubilarehrung der Sozialdemokraten im Lippstädter Ortsverein, die im damaligen „Stammlokal“ der Kernstadt-SPD, Hotel-Restaurant Ortwein, stattfand. Die Verbindungen der prominenten Sozialdemokratin zur Friedrich-Ebert-Stiftung verschafften dem Stadttheater in Lippstadt im Juli 1986 die Möglichkeit, eine vielbeachtete Ausstellung über das Leben und Wirken des ersten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, Kurt Schumacher, zu präsentieren.

Ehrung für langjährige SPD-Mitgliedschaft: Bei der Jubilarfeier 1985 wurde die Ratsfrau Berni Alff (links) durch Annemarie Renger ausgezeichnet. Aufmerksamer Beobachter ist der damalige Ortsvereinsvorsitzende Wolfgang Schulte Steinberg. Fotos (3):Archiv des SPD-Ortsvereins Lippstadt

Klaus-Theo Rohe blieb der Bundestag versagt

Während Annemarie Renger im Sommer 1986 auf der SPD-Landeskonferenz in Paderborn mit dem guten dritten Platz auf der Reserveliste ausgestattet wurde und im Frühjahr 1987 ihre letzte Legislaturperiode im Deutschen Bundestag antreten konnte, hat Klaus-Theo Rohe die Wickeder Nominierung von 1986 nicht zu einem Sitz im Bundestag verholfen. Beim Wahlgang im Januar 1987 mit Johannes Rau als SPD-Kanzlerkandidaten reichte sein Listenplatz nicht aus, um ins Parlament zu gelangen. Auch 1990, wo der Mann aus Welver noch einmal als SPD-Wahlkreisbewerber antrat, blieb ihm ein Abgeordnetenmandat versagt.

Hans Zaremba