Reizvolle Abwechslung zur Politik

50+1-Regel wurde beim „Fußball vom Sofa“ diskutiert

Derzeit befassen sich viele Sozialdemokraten mit den Ereignissen rund um ihre traditionsreiche Partei. Die Diskussionen der Genossinnen und Genossen reichen von dem mit den Unionsparteien ausgehandelten Vertrag für die Bildung einer neuen Bundesregierung über das bevorstehende SPD-Mitgliedervotum bis zu den Überlegungen des SPD-Präsidiums in Berlin, seine Spitze neu zu ordnen. Da nimmt gewiss der Fußball für die drei Vorstandsmitglieder des SPD-Ortsvereins in Lippstadt, Dietmar Gröning-Niehaus, Karl-Heinz Tiemann und Hans Zaremba, eine reizvolle Abwechslung von den nicht weniger spannenden Debatten über die Politik ein.

Vereinsübernahmen und Montagsspiele waren ihre Themen beim „Fußball vom Sofa“: Von links das Lippstädter Ensemble vor der Kamera von „Eurosport“ mit Dietmar Gröning-Niehaus, Hans Zaremba und Karl-Heinz Tiemann. Foto: Sarah Meister (Anda-Medien in Berlin)

Übernahme von Vereinen

So auch am letzten Wochenende, als die Leute von „Eurosport“ wieder vor Ort waren, um die Emotionen der drei Sozis, die seit August zum festen Lippstädter Ensemble des paneuropäischen Senders gehören, beim Betrachten der Spiele im Fernsehen einzufangen. Dabei sind ihre Themen, die sie auf dem Sofa bei Schnittchen und kühlen Getränken aufgreifen, ebenfalls nicht von Pappe. Diesmal stand auf dem Kanapee des Gastgebers der Runden in der Ulenbergstraße, dem pensionierten Diplombauingenieur Karl-Heinz Tiemann, die umstrittene 50+1-Regel obenan. Diese Vorschrift verbietet Anlegern, die Mehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Proficrews ausgegliedert haben. Speziell ist diese Norm seit vielen Jahren dem Chef von Hannover 96, Martin Kind, ein Dorn im Auge. Er sieht diese Richtschnur für einige Ligisten durch Ausnahmeregelungen außer Kraft gesetzt. So werden die Teams aus Leverkusen (mit einem Chemiegiganten im Hintergrund) und Wolfsburg (wo der dortige Automobilhersteller ein erheblicher Förderer ist) begünstigt. Auch die TSG 1899 Hoffenheim mit einem früheren Inhaber eines Softwareherstellers als Mäzen ist von der 50+1-Regel ausgenommen. Dies alles stört den Kaufmann in der Landeshauptstadt an der Leine gewaltig. Er, der sich rühmt, Hörgeräte salonfähig gemacht zu haben („Das waren solche Oschis – groß und unattraktiv mit nur begrenztem Nutzen“) will als erster Manager einen deutschen Fußballverein offiziell wirtschaftlich übernehmen. Das hat natürlich die Kritiker auf den Plan gerufen. In Hannover ist es die Opposition im eigenen Verein, die Alarm schlägt. Ihr Protest ist bei jeder Heimpartie des zweimaligen deutschen Fußballmeisters (1938 und 1954) allgegenwärig.

Konzentrierte Arbeit im Wohnzimmer des HSV-Anhängers Karl-Heinz Tiemann in Lippstadt:Die Kamerafrau Sarah Meister und der Videojournalist Oliver Mättig als Redakteur vor Ort bei ihren Aufnahmen für den paneuropäischen Sender ‚Eurosport‘. Foto: Karl-Heinz Tiemann.

Widerstände gegen Montagsspiele

Andere Fußballbosse in der Republik – wie Hans-Joachim Watzke vom BVB in Dortmund – befürchten bei der Aufgabe der 50+1-Regel in der Bundesliga den Einzug englischer oder französischer Verhältnisse: Je nach Laune des jeweiligen Investors könnten Klubs plötzlich mit Millionen aufgepäppelt werden. Die Beispiele von Manchester City oder Paris St. Germain, die mit reichlich Petrodollars aus der internationalen Bedeutungslosigkeit zu Champions-League-Größen erhoben wurden, hatten die Diskutanten auf dem Lippstädter Polstermöbel gleichfalls im Blick. Bemerkenswert war ihre Feststellung, dass ausgerechnet die zuletzt erfolgreichen Klubs des Kontinents: Real Madrid und FC Barcelona ohne feindliche Übernahmen ihre Erfolge erzielten. Große Widerstände haben auch die in dieser Saison angesetzten Montagsspiele (die durch Europa-League-Einsätze deutscher Vereine aufgenommen wurden) ausgelöst. Die Teilnehmer der „Eurosport“-Runde an der Lippe sehen in ihnen die Gefahr von ausbleibenden Zuschauern. Viele werden schon aus beruflichen Gründen nicht in der Lage sein, zum Wochenbeginn die teilweise über mehrere hundert Kilometer gehenden An- und Abreisen zu den Begegnungen in der Bundesliga zu bewältigen. „Da sollten sich die Bosse bei der Deutschen Fußballiga gut überlegen, was ihnen wichtiger ist: zwei Millionen Euro an Einnahmen oder die größere Einheit mit den Fans“, lautete die Einschätzung der drei Beobachter des Fußballs auf der Lippstädter Couch.

Hans Zaremba