Ausgabe November 2019: Vorschläge für die Stadtratswahl in 2020

Parteigeschichte

Aufbruch in Bonn und Lippstadt

Rückblick auf den Kanzlerwechsel in 1969 – von Hans Zaremba

Als vor fünfzig Jahren mit Willy Brandt zum ersten Mal in der noch jungen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Sozialdemokrat mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, war allenthalben von einem Aufbruch in der über zwei Jahrzehnte lang von CDU-Kanzlern dominierten Bonner Republik die Rede. So auch in Lippstadt, wo zugleich nach 16 Jahren das SPD-Bundestagsmandat in der Region vom bisherigen Abgeordneten, Bürgermeister Jakob Koenen, auf den bei der Wahl am Sonntag, 28. September 1969, über die SPD-Landesliste Nordrhein-Westfalen als Neuling ins Parlament eingezogenen Ersten Bevollmächtigten der Verwaltungsstelle Lippstadt der Industriegewerkschaft Metall (IGM), Engelbert Sander, gewechselt war.

Bonn am Dienstag, 21. Oktober 1969:Mit der Wahl des dritten Kanzlers in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Willy Brandt, und den erstmals in den Bundestag eingezogenen Lippstädter Engelbert Sander (rechts) begann vor fünf Jahrzehnten eine neue politische Epoche.

„Zuchtmeister“ Herbert Wehner

Dem neuen SPD-Bundestagsabgeordneten war es auch vorbehalten, zwei Wochen vor der mit viel Spannung erwarteten Regierungserklärung des designierten Kanzlers Willy Brandt auf einer SPD-Funktionärskonferenz in Lippstadt die wesentlichen Eckpunkte der Vorhaben der verabredeten Koalition aus Sozial- und Freidemokraten zu skizzieren. Dazu hatte der damalige SPD-Kreischef Lothar Reiter (Langeneicke) neben Jakob Koenen und Engelbert Sander auch den SPD-Kreisvorstand und die SPD-Bürgermeister sowie die SPD-Ortsvereinsvorsitzenden im Kreis Lippstadt eingeladen. Engelbert Sander informierte in seiner Rede vor den SPD-Funktions- und Mandatsträgern in Lippstadt über die Ergebnisse der konstituierenden Sitzung der aus der Wahl im September 1969 hervorgegangenen SPD-Bundestagsfraktion, die nach dem Ende der Großen Koalition (1966-1969) und den Eintritt ihres bisherigen Vormanns Helmut Schmidt als Verteidigungsminister in die Administration des Kanzlers Willy Brandt von Herbert Wehner als deren „Zuchtmeister“ straff geführt wurde. Der Lippstädter bezeichnete den bevorstehenden Kanzlerwechsel in Bonn im Oktober 1969 als ein „historisches Ereignis“, da „erstmals nach rund 40 Jahren in Deutschland wieder ein Sozialdemokrat höchste politische Verantwortung trage“.