Ligarückkehr in der Kritik

Hans Zaremba über mögliche „Geisterspiele“

Während der Handball bereits in der vorletzten Woche seine Saison infolge der Coronakrise abgebrochen und den THW Kiel zum Meister ausgerufen hat, erwarten manche Funktionäre im deutschen Fußball eine andere Entwicklung. Nach den Vorstellungen der DFL (Deutsche Fußball Liga e.V.) soll in der Bundesliga der Spielbetrieb nach Möglichkeit schon am kommenden Samstag, 9. Mai, wieder aufgenommen werden. Allerdings ausschließlich als sogenannte „Geisterspiele“, somit unter Ausschluss der üblichen Zuschauerkulissen in den Stadien. Doch dagegen regen sich viele Proteste bei den Fußballfreunden, in der Medizin und Politik.

Stimmen in ihren Vorbehalten gegenüber einer Rückkehr der Bundesliga zum jetzigen Zeitpunkt überein: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach aus Köln (rechts) und der Lippstädter Hans Zaremba auf einem im Juni 2017 in Dortmund entstandenen Bild.
Archiv-Foto: Karl-Heinz Tiemann

Bedenken gegen Sonderstatus

Einer der vehementesten Kritiker der Bestrebungen, in der ersten und zweiten Liga schon im Mai wieder den Ball rollen zu lassen, ist der SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach. Der Politiker und Mediziner wird nicht müde, seine plausiblen Argumente auf mehreren Fernsehkanälen – von „Markus Lanz“ im ZDF über „Hart aber fair“ und „Anne Will“ in der ARD bis zum „Doppelpass“ bei Sport 1 – und in etlichen Printerzeugnissen – vom „Spiegel“ über die Tagespresse bis zum „Focus“ – mit eindringlichen Worten zu wiederholen. Für den Gesundheitswissenschaftler, in dessen Wahlkreis die Erstligisten Leverkusen und Köln beheimatet sind, ist eine jetzige Rückkehr zum Fußballbetrieb nicht vertretbar. Die verständliche Ansicht des 57jährigen Epidemiologen richtet sich auch gegen den Sonderstatus der Fußballer, der durch die möglichen „Geisterspiele“ entstehe. Es sollen nach Berechnungen von DFL und DFB (Deutscher Fußball-Bund e.V.) mehr als 20.000 Tests notwendig sein, um die Liga unter diesen Bedingungen zu Ende zu spielen. Nach Einschätzung verschiedener Virologen eine zu leistende Maßnahme. Ob man aber für das Luxusgut Fußball die knappen Tests verwenden soll, wirft jedoch weitere Fragen auf, wenn an vielen anderen Stellen nicht ausreichende Chancen für eine Prüfung auf Corona bestehen. Ohnehin ist in der (Fach-)Öffentlichkeit und in der Politik eine Diskussion entbrannt, ob die ersten Lockerungen nach dem Lockdown das falsche, womöglich ein folgenschweres Zeichen gewesen sein könnten. Von den Skeptikern – wie Christian Drosten von der „Charité“ in Berlin – wird eine zweite und heftigere Pandemie-Welle mit neuerlichen Begrenzungen des öffentlichen Lebens befürchtet. Deshalb sollte der Fußball in der momentanen Situation konsequent auf einen Neustart verzichten und nicht noch weitere Zwangslagen hervorrufen.

Druck auf die Politik

Andererseits wollen die DFL und der DFB offenkundig die Saison 2019/20 unbedingt bis zum 30. Juni beenden. Vorwiegend getrieben von der finanziellen Schieflage einiger Ligisten, deren prominentester Protagonist gegenwärtig der FC Schalke 04 ist. Der auschlaggebende Punkt der Not beim westfälischen Vorortverein wird kaum durch Corona, sondern aufgrund mancher vorher nicht gründlich durchdachten Entscheidung entstanden sein. Bislang sollen es nur wenige Fans sein, die Druck auf die Politik ausüben, jetzt die Abschlussphase der aktuellen Spielzeit aufzurufen. Dieses Begehren scheint verstärkt vom Management der Bundesligavereine auszugehen. Unter den Befürwortern für die Treffen vor leeren Rängen befinden sich auch die Bosse des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, und von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke. Da verblüfft es nicht, wenn sich auch die Landesfürsten im Alpenvorland, Markus Söder, und im Landstrich zwischen Rhein und Weser, Armin Laschet, mit der Ausrichtung von „Geisterspielen“ anfreunden können. Greifbare Positionen von zwei Männern, die augenfällig aus ihren Staatskanzleien in Düsseldorf und München ins Berliner Kanzleramt streben. Unabhängig zum Pro und Kontra von Spielen ohne Fans befindet sich der Berufsfußball in einem Konflikt: Er muss planen für eine Zukunft, von der man noch nicht weiß, wie sie aussieht. Selbst wenn es erst Mitte, Ende Mai losgeht, brauchte es eine ganze Menge, um das Experiment der Bundesliga zum Erfolg zu führen. Alle Clubs werden indessen nicht umhin kommen, sich mit den üppigen Gehältern ihrer Kicker zu befassen, denn sie sind nach Betrachtungen von Beobachtern der Szene bei mehreren Ligisten mit 40 bis zu 50 Prozent der größte Kostenfaktor. Zudem haben Manuel Neuer (München) und Mario Götze (Dortmund) in diesen Wochen durch ihre in den Medien kolportierten überzogenen Forderungen für künftige Verträge ihrem Berufsstand zusätzlichen Schaden zugefügt, was den Disput über eine unerlässliche Reduzierung der Vergütung der Profis weiterhin anfachen dürfte.