Eine kurze Bürgermeisterschaft

Frauen und Männer aus der Sozialdemokratie im Lippstädter Stadtrat – Teil 6

Gut zwanzig Jahre nach dem Tod des legendären Jakob Koenen wurde mit dem Cappeler Klaus Helfmeier am Montag, 7. November 1994, wieder ein Sozialdemokrat zum Bürgermeister von Lippstadt gewählt. Dies war zugleich die letzte Bestimmung eines Stadtoberhauptes, das seine Aufgabe noch im Ehrenamt ausübte. Schon knapp drei Jahre später war die Amtszeit des damaligen hauptamtlichen Geschäftsführers der Arbeiterwohlfahrt (AWO) als erster Repräsentant der Stadt Lippstadt mit der Aufkündigung der „gestalterischen Mehrheit“ durch die Bürgergemeinschaft (BG) beendet. Für den letzten Bürgermeister im Nebenamt, Klaus Helfmeier, zog nach der Aufgabe der kommunalen Doppelspitze mit Wolfgang Schwade (CDU) zum 1. August 1997 wieder ein Bürgermeister im Hauptamt ins Lippstädter Stadthaus am Ostwall ein

Freude über die Bürgermeisterwahl.Auf der SPD-Party nach der Ratssitzung am 7. November 1994 tauschen sich Klaus Helfmeier und Wolfgang Schulte Steinberg über künftige Projekte aus.

Überraschung

Die Wahl des langjährigen Cappeler Ortsvorstehers zum ersten Lippstädter Bürger war 1994 eine Überraschung. Die SPD hatte beim Urnengang für den Stadtrat am 16. Oktober, der gemeinsam mit der Bundestagswahl stattfand, einen Sitz verloren, während die CDU einen hinzugewann. Mit den drei BG-Mitgliedern gab es im Rathaus eine neue Gruppe, die sich mit den Grünen (vier Mandate) und den Sozialdemokraten (20 Sitze) zur „gestalterischen Mehrheit“ vereinigte. Diese Verbindung hatte Klaus Helfmeier auf den Schild gehoben, der sich in geheimer Abstimmung mit 27 Voten gegen den seit 1984 amtierenden Bürgermeister Franz Klocke (der nur auf die 23 Stimmen aus der CDU kam) klar durchsetzte.

Spannung

Der Patriot“ berichtete über das Ereignis im großen Versammlungssaal der Sparkasse in seiner Ausgabe am Dienstag, 8. November 1994, unter anderem: Die Spannung um diese Bürgermeisterwahl war riesengroß, auch wenn das Ergebnis angesichts der klaren Aussagen von SPD, Grünen und BG schon vorher klar schien. Vielleicht nach dem Motto „man weiß ja nie . . .“ oder mit der Absicht, den Machtwechsel live miterleben zu wollen, drängten sich viele neugierige Bürger in Saal und Flur. Was sie dann erlebten, verlief ohne jede Hektik, ohne sichtbare Emotionen, rein sachlich, formal, eben so, wie die Gemeindeordnung es vorgibt. Die Übernahme des Ratsvorsitzes durch einen SPD-Politiker war für die von ihren absoluten Mehrheiten von 1975 bis 1989 verwöhnte Union ein herber Schlag. Dies wurde noch in der konstituierenden Ratssitzung durch das Entrollen eines Transparentes (Bürgerwille: Klocke muss Bürgermeister bleiben) zweier ihrer Anhänger (von denen einer inzwischen mit einem Ratssitz „belohnt“ wurde) deutlich.

Wahlkampf 1994.SPD-Kinderfest in der Juchaczstraße. Von links nach rechts Friedhelm Arnoldt (Benninghausen), Margret Schulte Steinberg, Klaus Helfmeier, und der 2009 verstorbene Hans Alers.

Elf und Neun

Durch die verbundenen Wahlen (Stadtrat und Kreistag sowie Bundestag) war die Beteiligung an der Abstimmung für den Rat mit 80,0 Prozent relativ hoch, im Jahr 1989 betrug sie 67,8. Es waren elf Genossinnen und Genossen aus der Kernstadt und neun aus den Stadtteilen, die der Motor des Dreierbündnisses im Stadtrat waren. Aus dem Lippstädter SPD-Ortsverein kamen Elmar Arnemann, Karl-Heinz Brülle, Heinz Gerling, Horst Marin, Walter Neumann, Antonius Schneider, Bernhard Scholl, Lydia Schulte (+), Wolfgang Schulte Steinberg, Marlies Stotz und Hans Zaremba. Nach nur zehn Monaten schied Horst Marin aus und es rückte der schon von 1969 bis 1989 dem Rat angehörende Heinfried Heitmann nach. Die „Dörfer“ waren mit Otto Brand (Lipperode, der infolge des Mandatsverzichtes von Walter Lietz am Tag nach der Wahl vom 16. Oktober 1994 in den Rat kam), Dieter Deimel (Hörste), Herbert Heiermeier (Esbeck), Klaus Helfmeier (Cappel), Hans-Joachim Kayser (Overhagen), Horst Langner (Hellinghausen), Heinz Schapke (Eickelborn), Horst Schneider (Lipperbruch) und Martin Schulz (Bad Waldliesborn) vertreten.

Jugendamt

Das politisch herausragende Ereignis der kurzen Periode der „gestalterischen Mehrheit“ von 1994 bis 1997 war zweifellos der Beschluss der Stadtrates vom 30. Januar 1995, mit Wirkung zum 1. Juli 1995 ein Stadtjugendamt einzurichten. Dieser grundlegenden Entscheidung für die Lippstädter Politik war eine über 15jährige Debatte über das Pro und Kontra einer städtischen Jugendbehörde vorausgegangen. Während dieser langen Zeit waren es immer wieder die CDU und die FDP, die den regelmäßigen Anträgen aus der SPD für die Bildung einer stadteigenen und bürgernahen Behörde eine Abfuhr erteilten und stattdessen den wenig effektiven Verbund der Stadt Lippstadt mit dem Kreisjugendamt im fernen Soest den Bestand sicherten. Damit war mehr oder weniger auch schon der Vorrat an Gemeinsamkeiten des Bündnisses aus SPD, Grüne und BG aufgebraucht. Es war die BG, die sich schnell nach einem neuen Partner umsah und den bis zum Juli 1997 in Rietberg tätigen Stadtdirektor Wolfgang Schwade mit dem CDU-Buch auf den gut dotierten Stuhl des Bürgermeisters hievte. Die Union ließ sich nicht lumpen. Sie veränderte die Hauptsatzung und schuf für den inzwischen verstorbenen Gerd Sieberts aus der BG das bis zu diesem Zeitpunkt in Lippstadt nicht bestehende Amt eines dritten stellvertretenden Bürgermeisters.

Hans Zaremba