Rote Lippe Rose intern – Nummer 1 aus 2022

Lippstadt am Sonntag, 19. November 1972: Plausibel war die SPD-Empfehlung für den Wahltag. Vor fünfzig Jahren, als diese Plakette der Renner war, erfreute sich die SPD vieler Neumitglieder.
Archiv-Fotos (2): Sammlung SPD-Ortsverein Lippstadt

Musterbeispiel

Über die Vorbereitungen für den Wahlkampf hinaus hatten die Parteien – so auch die SPD –  genauso zügig ihre Kandidaten für die vorgezogene Wahl im November zu nominieren. Die heimische SPD nahm diese Entscheidung am Sonntag, 1. Oktober 1972, im Haus Wiesengrund bei Brilon vor. Zu jener Zeit bildeten die damaligen Kreise Brilon und Lippstadt noch den Bundestagswahlkreis 120.  Erst bei der Wahl am Sonntag, 5. Oktober 1980, wurde für die Region von Wickede bis Geseke des durch die Gebietsneuordnung zum Mittwoch, 1. Januar 1975, geschaffenen Großkreises ein einheitlicher Bundestagswahlkreis gebildet. Auf der Konferenz in 1972 setzte sich der Lippstädter Engelbert Sander gegen den Briloner Landtagsabgeordneten Julius Drescher (1920-2015) durch. Von den abgegebenen 90 Stimmen der Delegierten – 55 aus dem Kreis Lippstadt und 35 aus dem Kreis Brilon – entfielen 60 auf den seit dem Herbst 1969 dem Bundestag angehörenden hauptamtlichen Gewerkschaftler und 30 auf seinen Mitbewerber. „Der Patriot“ beschrieb am Dienstag, 3. Oktober 1972, die Kreiswahlkonferenz als ein „Musterbeispiel lebendiger Demokratie“.

Höhepunkt

Ein Höhepunkt des Bundestagswahlkampfes vor Ort in 1972 war die am Dienstag, 31. Oktober 1972, im Goldsaal des Hotel Drei Kronen gut besuchte öffentliche Veranstaltung „Politik des Friedens, der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit“ mit dem Verteidigungsminister Georg Leber (1920-2012). In seiner Rede streifte der einstige Bundesvorsitzende der Gewerkschaft „Bau, Steine, Erden“ neben der Entspannungspolitik der von Willy Brandt geführten Regierung auch Fragen zur Sozial- und Gesundheitspolitik, der Chancengleichheit auf dem Bildungssektor und einer vernünftigen Vermögensverteilung. Die SPD erlebte in 1972 einen lange nicht bekannten Zulauf an neuen Mitgliedern. Zeitweilig verfügte sie in den 1970er Jahren über eine Mitgliederzahl von einer Million Frauen und Männer. Das spürte auch der SPD-Ortsverein Lippstadt, wo im Jahr 1972 die Eintritte ebenso deutlich zunahmen.

Wahlergebnis

Angesichts dieser Begebenheiten wurde im November 1972 zwar ein SPD-Wahlsieg   erwartet, jedoch nicht in der nachstehenden Höhe. Bundesweit kam die SPD auf 45,8 Prozent und die FDP holte 8.4 Punkte der Zweitstimmen, während die Unionsparteien 44,9 erreichten. In Lippstadt konnte die SPD erstmals die CDU bei einer Bundestagswahl überrunden, womit Engelbert Sander nach 1969 zum zweiten Mal in den Bundestag einzog. Auf den Ersten Bevollmächtigen der Industriegewerkschaft Metall entfielen 49,4 Prozent der Erststimmen, auch bei den Zweitstimmen lag die SPD mit 47,9 Prozent vorne.

Hans Zaremba